Renate Jäger

Supervision, Beratung, Coaching

Haltung und Gang  

Die natürliche Weise des Menschen sich fortzubewegen ist das Laufen. Da diese Bewegungen ab einem bestimmten Alter unbewußt ablaufen, fügen sie sich in das körpersprachliche Repertoire des jeweiligen Menschen ein. Das gleiche gilt für das Stehen.

Grundsätzlich kann man sagen, daß eine bestimmte Körperhaltung auf einen bestimmten Gemütszustand schließen läßt.

Ob dieser Zustand nur zeitweise vorhanden, oder ein genereller Charakterzug ist, kann man allerdings erst nach längerer Beobachtung feststellen. Bekannt sind aber Beschreibungen für bestimmte Charaktere: „die Nase ganz schön hoch tragen, kein Rückgrat haben, einen Stock verschluckt haben“ sind Bezeichnungen, die sowohl auf Äußerlichkeiten als auch auf Wesensmerkmale abzielen. Jemand, der „den Kopf hängen läßt“, hat auch meistens eine stimmungsmäßige Begründung, die sich in entsprechender Haltung widerspiegelt.

Eine grundlegende Bewertung des Ganges und des Stehens ist die Position des Körperschwerpunktes im Verhältnis zum Becken. Liegt dieser Schwerpunkt vor dem Becken, so steht bzw. geht dieser Mensch nach vorn gebeugt. Er ist wahrscheinlich eher ängstlicher, unsicherer Natur. Dagegen steht die nach hinten geneigte, „über-hebliche“ Hal­tung. Sie ist ein Zeichen von übersteigerter Selbstsicherheit, abgehobener Distanz, eben Überheblichkeit.

Allerdings muß ich hierzu anmerken, daß mir selbst selten jemand begegnet ist, der diesem Schluß, der aufgrund der Körperhaltung gezogen wurde, gerecht wurde. Meistens sind Arroganz und Überheblichkeit eher gespielt, um der Umwelt nicht die eigene Unsicherheit zur Schau zu stellen. Möglicherweise will derjenige auch in sich selbst das ihm fehlende Gefühl der Sicherheit erzeugen.

Zwischen diesen beiden Haltungen liegt die neutrale, aufrechte Haltung. Menschen, die aufrecht, wobei ich hiermit aber nicht übertrieben gestreckt meine, gehen oder stehen, müssen keine Selbstsicherheit zur Schau stellen und sind auch nicht unsicher. Sie „ruhen in sich“. Wenn dieser Gang noch mit einem offenen, lebendigen Blick kombiniert ist, sind sie sicherlich eine sehr angenehme Erscheinung.

Für den Gang gilt in Bezug auf den Körperschwerpunkt das Gleiche wie für das Stehen. Der Gang ist aber eine komplexe Bewegungsabfolge, in der sich demzufolge auch gute körpersprachliche Interpretationsansätze finden lassen.

Grundsätzlich kann man auch hier wieder die Lage des Körperschwerpunktes zur Interpretation heranziehen. Allerdings mit dem Unterschied, daß sich bestimmte Schwerpunktslagen zwangsläufig auf die Art der möglichen Fortbewegung auswirken. So ist es zum Beispiel kaum möglich, nach hinten geneigt besonders schnell zu gehen. Vielmehr verstärkt dies den Eindruck, sich die Dinge erst mal von oben, unter gemessener Distanz, zu betrachten und eigene Aktivitäten nicht zu überstürzen.

Als weiteres Gangmerkmal kann man die Länge der Schritte ansehen. Ein Mensch, der weitausgreifende Schritte macht, kommt schneller voran als jemand, der kleinere Schritte macht. Allerdings ist diese Art zu laufen aber anstrengender und riskanter. Die Gefahr zu stolpern ist größer, als wenn man vorsichtig und mit kleinen Schritten die Umgebung „ertastet“. Dieses Merkmal läßt auf den Charakter schließen: Ein solcher Mensch wird sich sicher nicht gern mit Details aufhalten sondern die großen Zusammenhänge im Auge behalten. Er schreitet selbstsicher auf ein bestimmtes Ziel zu. Feinarbeiten sind für ihn wahrscheinlich nur Zeitverschwendung, und er riskiert es auch einmal „größere Sprünge“ zu machen, wenn er dadurch etwas einspart. Möglicherweise entgeht ihm bei dieser Art sich fortzubewegen etwas, aber das berührt ihn kaum.

Anders hingegen derjenige, der sich mit kleinen Schritten fortbewegt. Wahrscheinlich wird es ihm schwerfallen, schnell große Entscheidungen zu fällen, aus Angst etwas Falsches zu tun.